Geschichte und Charakter Gleidorfs
Vier,
geschichtlich gewachsene, Merkmale
bestimmen
wesentlich den Charakter Gleidorfs:
1. Geographischer Kern Gleidorfs ist "die Kreuzung" von Gleier und Lenne.
Die beiden Flüsse
bildeten die natürlichen Grenzen zwischen dem Kloster
Grafschaft und dem
Gericht Oberkirchen einerseits und dem Gericht Fredeburg
und dem Herzogtum Bilstein andererseits. Der heutige Straßenverlauf der B236
und B511 mit ihrer
Kreuzung im Zentrum Gleidorfs bilden zwar den
Flussverlauf nach,
existieren jedoch erst seit ca. 1840.
2. Gleidorf
war Durchzugsgebiet für Pilger, Händler und Söldner, welche die
alte Heidenstraße nutzten, um das Sauerland zu durchqueren. Während der
Soester Fehde 1444 – 49
war dort Aufmarschgebiet für die kurfürstlichen
Truppen gegen
Fredeburg. Sicher war es nicht nur die Pest, sondern dann auch
allerlei unliebsame
Erfahrung, die Gleidorfs ( zehnt- und
pachtzinspflichtigen,
aber gerade deshalb freien ) Bauern in die Nachbarorte ziehen ließ. Das
Gebiet wurde nun von den
umliegenden Ortschaften her bewirtschaftet, so dass
diese das Territorium
in ihre Gemarkung aufnahmen.
3. Die Wiederbesiedlung
Gleidorfs steht im Zusammenhang mit der
Montangeschichte des
oberen Lennetals, ja des gesamten kurkölnischen
Sauerlandes. Die Fürstbischöfe und Fürsten förderten den Bergbau und die
Verhüttung und
Verarbeitung der Erze ab ca. 1550. .Das Kloster Grafschaft
wurde vom Fürstbischof von entsprechenden Abgaben befreit und
richtete
Gruben und Hammerwerke
ein, die dann verpachtet wurden. Wahrscheinlich
existierte aber vor dem
Klosterhammer der "Fredeburger Hammer in der
Humsecke", der später den Namen Vogt trug. Die ersten
nachweisbaren
Hausnamen in Gleidorf lauten: Simon, Teipel, Richstein.
Das Gedankengut der
frz. Revolution erreichte ab ca.1790 das obere Lennetal.
Für den Betrieb der
Hämmer und die spätere Textilverarbeitung wurden
Fachleute aus dem
Altkreis Wittgenstein (von der anderen Seite des
Rothaarkammes)
angeworben, die evangelisch waren. Neben der Möglichkeit in
Lohn und Brot zu
kommen, reizte wahrscheinlich auch die Möglichkeit auf
"Gleidorfer Gebiet" (günstig) Land erwerben zu können,
das vorher vom Kloster
Grafschaft verpachtet
war, aber nun nach dem Reichsdeputationshauptschluß
zum Verkauf stand.
Verstärkt wurde die wirtschaftliche Entwicklung durch die
napoleonische
Kontinentalsperre gegen England, mit deren Ende kam aber der
allmähliche Niedergang der Montangewerke im oberen Lenntal.
In Gleidorf
passte man sich an.
Statt Erzen wurden Textilien verarbeitet. Die Wasserkraft
wurde weiter genutzt,
später auch zur Stromerzeugung. Der Krieg 1870/71
gegen Frankreich ließ
die Auftragsbücher überquellen und verstärkte die
Wirtschaftstätigkeit.
Zwischen den Städten
Schmallenberg und Fredeburg gelegen wurde von dort
Unliebsames (von
feuergefährlichen Arbeiten bis zu Kegelspielen) nach
Gleidorf verdrängt oder von der Liberalität Gleidorfs
angezogen, dies verstärkte
das Wachstum des Ortes.
Es bildeten sich vielerlei Vereine, der eiserne Turm
auf dem Wilzenberg wurde ebenso gefördert wie Musik, Theater und
Sport.
Feuerwehr,
Schützenverein und Turnverein bilden noch heute einen starken
Kern des Gleidorfer Gemeinschaftslebens.
Die evangelische
Kirchengemeinde wurde aktiv für Kirchbau und Unterricht,
dem die katholische
Kirchengemeinde folgte, die durch großzügige Spenden und
Opferbereitschaft auch
ein Gotteshaus errichten konnte.
Später löste sie sich von
ihrer Muttergemeinde
Grafschaft. Irritationen zwischen Katholiken und Protestanten begannen während des preußischen Kulturkampfes.
Heute ist ohne überkonfessionelles Denken und Handeln Gleidorf nicht denkbar.
Posten (Geh-, Reit-, und Postkutschen) und Eisenbahn hatten Stationen in Gleidorf,
die eine (oder vielleicht die) Verbindung für das
obere Lennetal und den Raum Berleburg darstellten.
Den langsamen und eingeschränkten
Verkehrsmitteln entsprechend bildeten sich Gastbetriebe für
Verköstigung und
Herberge. Preußen richtete in Gleidorf ein
Barrierehaus (Post-,
Zoll- und Mautstation; ca. 1830 – 1875 ) ein, obschon
durch den Ort keine
Provinzialstraße führte. Damit stand Gleidorf auf
einer
Stufe mit den
Barrierehäusern auf dem Stimmstamm und bei Ödingen,
beide an der heutigen
B55 gelegen, die ehemalige Provinzialstraße zwischen
Minden und Koblenz.
Bei der
Wiederbesiedlung spielte sicher auch eine Rolle, dass es in Gleidorf
ein
höheres Maß an
wirtschaftlicher, politischer und religiöser Freiheit und Toleranz
gab als in der
Umgebung. So war Gleidorf ein aufblühender
Industriestandort in
den Jahren um 1898. Der
prägende Sozialtypus war der Arbeiter -
zunächst mit einem
landwirtschaftlichem Nebenerwerb. Eine bürgerliche Phase
mit der entsprechenden
Bewusstseinsbildung für Kapital, Bildung und
Ausbildung konnte wegen
der Besiedlungspause nicht stattfinden. So gingen
denn häufig die
gegründeten Firmen nach 0,5 bis 1,5 Generationen unter. Aber
auch
volkswirtschaftliche Schwächephasen erlebten die Gleidorfer.
Um die
Wende zum 20.
Jahrhundert waren Versteigerungen und Notverkäufe auch hier keine Seltenheit.
4. Viele
Heimatvertriebene wählten nach dem 2. Weltkrieg Gleidorf
als
Wohnort, wodurch die
Bevölkerungszahl stieg. Eine rege Bautätigkeit ließ die
Zahl von Wohnhäusern
sprunghaft ansteigen. Es entstand dadurch aber
Äußerlich auch zunehmend
der Charakter einer Wohnsiedlung, weil die sichtbaren
gewerblichen Betriebe
nach und nach verschwanden. In dieser Zeit des Wachstums
gab es bis zu 8 Lokale,
bis heute reduzierte sich deren Anzahl auf zwei. Aktive Bürger ließen
einen kreativ
gestalteten Kinderspielplatz entstehen, so wie viele weitere gepflegte Grünbereiche
in der gesamten Ortschaft.
Zusammengestellt von Ortsheimatpfleger
Erhart Schauerte